Selektivität

 

 

Zyklusvorlesung "Sinnesphysiologie - vom Ionenkanal zum Verhalten"

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Schmecken
I. Geschmackssinneszellen
II. Geschmacksinformation im Gehirn



Themen:

Selektivität von Geschmacksfasern
 
nolabel.jpg Mit Hilfe elektrophysiologischer Ableitungen von Geschmackssinneszellen oder Ableitungen der Aktivität afferenter Nervenfasern kann man untersuchen, auf welche Geschmacksstoffe eine Zelle reagiert und welche Stoffe zur Erregung eines Axons im Geschmacksnerven führen. Dabei wird deutlich, daß die Zellen nicht ausschließlich auf Stimuli einer Qualität reagieren, sondern daß zB eine salzempfindliche Zelle auch auf Zucker oder Säure reagieren kann. Salzempfindliche Zellen werden bei Kontakt mit NaCl depolarisiert. Der zweite Stimulus kann sowohl eine Depolarisation (Erregung) als eine Hyperpolarisation (Hemmung) auslösen. In den afferenten Axonen misst man bei diesen Zellen bei Stimulation mit NaCl eine Erhöhung der Aktionspotential-Frequenz. Die zweiten Stimuli verursachen stärkere oder schwächere AP-Aktivität, je nach ihrem Effekt auf das Membranpotential der Sinneszelle.
 
Diese "Ungenauigkeit" bei der Detektion und Weiterleitung der Information über die Geschmacksqualität wird noch dadurch verstärkt, daß die afferenten Neurone Synapsen mit mehreren Geschmackssinneszellen gleichzeitig bilden können, wobei deren Information integriert wird.
 
Aus: Matthews, G. (2003) Neurobiology. Sinauer Ass.
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Diese Abbildung zeigt das Ergebnis der Untersuchung von 40 Axonen aus der Chorda tympani, die den vorderen Teil der Zunge innerviert. Bei jedem Axon wurde die Reaktion auf vier Geschmacksstoffe getestet. Die Höhe der Balken symbolisiert die Reaktionsintensität (die Anzahl von APs pro Zeit). Die Ergebnisse sind nach Selektivität geordnet.
 
Links sieht man Axone, die vor allem auf Sucrose reagieren, aber auch - wenn auch schwächer - auf die anderen drei Geschmacksqualitäten. Wie interpretiert das Gehirn wohl die Aktivität von Faser 21? Diese Faser reagiert auf alle vier Stimuli mit annähernd gleicher Intensität. Welche Geschmacksinformation vermittelt diese Faser an das Gehirn? Vermutlich kaum eine. Dieses Beispiel zeigt, daß die Geschmacksinformation nicht in der Aktivität einzelner Fasern kodiert sein kann. Stattdessen analysiert das Gehirn das Aktivitätsmuster vieler, gleichzeit feuernder afferenter Neurone.