Musteranalyse

 

 

Zyklusvorlesung "Sinnesphysiologie - vom Ionenkanal zum Verhalten"

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Schmecken
I. Geschmackssinneszellen
II. Geschmacksinformation im Gehirn



Themen:

Musteranalyse
 
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Die einfachste Form der Informationsvermittlung von der Zunge ins Gehirn wäre gegeben, wenn ...
  1. ...jede Geschmackssinneszelle ausschließlich durch Stimuli einer bestimmten Geschmacksqualität aktiviert würde und ...
  2. ...jedes afferente Axon genau einer Gescmacksqualität zuzuordnen wäre.
In einem solchen Fall (engl.: "labeled lines") bekäme das Gehirn eindeutige Information aus jeder einzigen Faser.
 
So aber funktioniert die Geschmacksverarbeitung nicht.
nonlab.jpg Tatsächlich wird jede Faser durch Stimuli aller vier Qualitäten aktiviert - nur im allgemeinen am stärksten durch eine davon. Daher enthält jede Einzelfaser ein weitgehend nutzloses Informationsgemisch. Das Gehirn kann dennoch sehr präzise Geschmacksinformation erhalten, wenn statt einzelner Fasern ein Ensemble von vielen Fasern ausgelesen wird. Eine bittere Substanz wird ein ganz anderes Aktivitätsmuster erzeugen als eine Stimulation mit Sucrose oder anderen Süßstimuli. Im Prinzip muss man davon ausgehen, daß jede geschmacksaktive Substanz ein eigenes Muster produziert.
 
Das Gehirn muss typische Standardmuster für bitter, süß, umami, salzig und sauer gespeichert haben. Wenn ein Geschmacksstoff auf die Zunge gelangt, wird das Aktivitätsmuster, das diese Substanz erzeugt, mit den gespeicherten Standardmustern verglichen. Je nach Ähnlichkleit mit einem Standardmuster, wird der Geschmacksstoff dann einer der fünf Qualitäten zugeordnet.
 
Die Analyse von Aktivitätsmustern in einem Ensemble von Einzelfasern geringer Selektivität ermöglicht eine hohe Selektivität des gesamten Systems. Diese Art, Information zu gewinnen, ist ein typisches Merkmal der chemischen Sinne, die es ja mit einer theoretische unbegrenzten Anzahl von chemischen Verbindungen (Geschmacks- oder Duftstoffe) zu tun haben.