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Literatur/Quellen

Die Geschmacksqualitäten "Süss" und "Sauer"

Jeder hat sie schon einmal feststellen können: Die Geschmacksqualitäten Süss und Sauer. Sei es beim Auslutschen einer frischen Zitrone oder beim Verzehr einer Schokoladentorte. Verschiedenste Nahrungsmittel können diese Geschmäcker in den unterschiedlichsten Abstufungen hervorrufen. Kaum einer ist sich jedoch beim Genuss eines Stücks Schokolade bewusst, dass hinter der Identifizierung des Geschmacks als süss eine komplizierte Physiologie steckt. Innerhalb des Seminars zur Sinnesphysiologie habe ich versucht ein wenig Licht hinter diese Stoffwechselvorgänge zu bringen. Ich hoffe es ist mir einigermassen gelungen und bitte eventuelle Unvollständigkeiten zu entschuldigen. Auftretende Fragen können an mich, den Autor, gerichtet werden:

mgeupel@yahoo.de
Autor: Markus Geupel

  Reizbedingungen für Untersuchungen

 

 


Es gibt nur wenige Gesetze bzw. allgemeingültige Regeln über die physikalischen und chemischen Eigenschaften, die ein Stoff besitzen muß um eine bestimmte Qualität, d.h. einen bestimmten Geschmack auszulösen. n wichtig ist, der Stoff muß wasserlöslich sein n der süße Geschmack wird hauptsächlich durch organische Stoffe, wie Zucker, Glykole und Alkohole hervorgerufen n für sauren Geschmack sind vorwiegend H+-Ionen verantwortlich n salzig schmeckt man in den meisten Fällen durch Aufnahme von Kationen wie Na+, K+ oder Ca2+ n typische Bitterstoffe sind die Alkaloide und Stickstoffverbindungen von hoher Toxizität; sehr schwer ein befriedigendes System aufzustellen.

 

 top Schwellenwerte zur Geschmacksbestimmung

 

 


Detection Treshold (generelle Schwelle): Konzentration, die ein Stoff haben muß, um seine Qualität zu erkennen.

Recognition Treshold (Minimalschwelle): Konzentration, die ein Stoff haben muß, um spezifisch erkannt zu werden.

Bei extrem tiefen Temperaturen (0°C) und bei sehr hohen Temperaturen (50°C) nimmt die Geschmacksempfindlichkeit ab, d.h. die Schwellenkonzentrationen steigen.

Beispiele:

  • Die kleinste bekannte Schwelle gehört zu Strichnin-monochlorid, ein bitter schmeckender, tödlich giftiger Stoff, der schon bei einer Konzentration von 1,6µmol/l spezifisch erkannt werden kann (vorausgesetzt man kennt den zugehörigen Geschmack!)

  • Die höchste Schwelle hat der Zucker Saccharose mit einer minimalen Konzentration von 170 000 µmol/l =0,17 mol/l Solch niedrige Schwellen sind bei Giften wichtig, um Gefahren vorzubeugen. Hohe Schwellen, wie bei Zuckern sind wichtig, damit man genug von Zuckern aufnehmen kann (wichtige Energiequelle) und nicht bei geringsten Mengen schon eine Überreizung verspürt, wodurch einem die Lust auf Zucker sehr schnell vergehen würde.

Adaptation: Hält man eine Schmecklösung über längere Zeit im Mund nimmt die Geschmacksempfindlichkeit mit der Zeit ab. Man könnte sagen, daß man sich an den Reiz gewöhnt. Dieser Vorgang hängt wohl vornehmlich nicht mit Vorgängen an Rezeptoren, sondern mit zentralnervösen Prozessen zusammen.

 

top Der süsse Geschmack
 
Der süsse Geschmack wird hauptsächlich durch organische Verbindungen hervorgerufen. Die grösste Rolle spielen hierbei natürlich die Zucker und Zuckerderivate aber auch Alkohole und Glykole können süss schmecken. Sogar einige anorganische Verbindungen, namentlich Blei- und Berylliumsalze, schmecken süss. Leider ist es noch nicht gelungen ein System in dieBeziehungen zwischen chemischer Molekülstruktur und Süssgeschmack zu bringen. Bis jetzt kann man nur sagen, dass alle süss schmeckenden Moleküle zwei polare Substituenten haben. Eine elektrophile und eine nucleophile Gruppe. Auch die Grössenverhältnisse spielen eine Rolle. So kann bei manchen Homologen der Geschmack mit zunehmendem Molekulargewicht von süss nach bitter umschlagen. Des weiteren ist die räumliche Anordnung bestimmter Gruppen von entscheidender Bedeutung. Kleine Veränderungen können die Geschmacksqualität entscheidend beeinflussen.

Signaltransduktionskaskade und Ionenströme in einem "Süss"-Rezeptor.

Aus: Lindemann, B. (1996) Taste Reception, Fig.3 ; Physiological Reviews 76


D- Phenylalanin schmeckt beispielsweise süss, während L-Phenylalanin bitter schmeckt. Ausserdem schmecken frisch bereitete Lösungen von a-D-Glucose stärker süss, als entsprechende Konzentrationen von b-D-Glucose. Die räumliche Anordnung ist wahrscheinlich wegen dem Bindungsareal am Rezeptor so wichtig. Diese ist eine hydrophobe Tasche, die ebenfalls eine elektro -und eine nucleophile Gruppe besitzt, welche es den "Süssmolekülen" ermöglicht zu binden. Wenn ein Molekül gebunden hat soll ein Aktionspotential ausgelöst werden, bzw. eine Neurotransmitterausschüttung stattfinden, damit der Reiz ans Gehirn weitergegeben werden kann, wo er dann entschlüsselt wird. Eine wichtige Rolle spielen dabei wahrscheinlich sogenannte G-Proteine und cAMP. Das G-Protein, genauer seine Untereinheit a-Gustducin, wird aktiviert, wenn ein Molekül an einen "Süssrezeptor" bindet. (a-Gustducin ist homolog zu Transducin, eine Proteinuntereinheit, die in Photorezeptoren eine Rolle bei dem Auslösen von Aktionspotentialen spielt) Es gibt nun zwei Möglichkeiten, wie durch a-Gustducin nun eine Depolarisation ausgelöst wird. Die erste, relativ sichere Theorie, ist, dass a-Gustducin eine Adenylatzyklase aktiviert, welche für die Herstellung von cAMP verantwortlich ist. Camp wiederum blockiert dann direkt oder indirekt K+-Ionen-Kanäle welche zur Aufrechterhaltung von Ruhepotentialen verant-wortlich sind. Kalium-Ionen können nicht mehr ausströmen; es kommt zur Depolarisation. Eine andere Theorie ist, dass, betrachtet man Homologie von a-Gustducin zu Transducin, eine Phosphodiesterase aktiviert wird. Diese Enzyme bewirken den Abbau von zyklischen Nucleotiden, und somit auch den von cAMP. Es wäre also möglich das a-Gustducin die "Süss-Erkennung" durch einen Konzentrationsabfall von cAMP induziert. Dagegen spricht jedoch, dass man beobachtet hat, dass, wenn man geschmackssensorische Zellen mit Zuckern stimuliert, es zu einem Anstieg der cAMP-Konzentration kommt. CAMP spielt also auf jeden Fall eine entscheidende Rolle! Ein weiterer möglicher Stoffwechselweg beinhaltet das Molekül IP3. Stimuliert man Rattenzellen mit Kunstzuckern, wie Saccharin, steigt die IP3-Konzentration.Das wiederum führt dazu, dass intrazelluläre Calciumspeicher geöffnet werden. Wodurch es zu einer Transmitterausschüttung oder einer Depolarisation kommen kann. Es gibt noch eine Reihe weiterer hypothetischer Stoffwechselwege, die für eine Reizweiterleitung verantwortlich sein könnten, doch auch hier ist es bis jetzt noch nicht gelungen ein befriedigendes und allgemeingültiges System aufzustellen.

 

top Der saure Geschmack
 


Der saure Geschmack wird vornehmlich durch H+-Ionen ausgelöst. Hier ist neben anderen Faktoren die H+-Ionen-Konzentration entscheidend. Vollständig dissoziierte Säuren schmecken saurer als äquimolare Lösungen von schwach dissoziierenden Säuren. Aber schwach dissoziierte, organische Säuren rufen einen stärker sauren Geschmack hervor als Mineralsäuren mit gleichem pH-Wert. Der "Sauergeschmack" nimmt auch mit der Länge der Kohlenstoffkette der organischen Säure zu. Man sieht, daß H+-Ionen zwar die wichtigste, aber nicht die alleinige Bedingung für den "Sauergeschmack" ist. Die Schwellenwerte für schwache organisch Säuren liegen ca. zwischen pH 3,7 und pH 3,9. Für stärkere Mineralsäuren liegen sie zwischen pH 3,4 und pH 3,5. (Zu beachten ist: Aminosäuren schmecken süss; zwei polare Gruppen)

Membranmechanismen

In der Membran der Mikrovilli der Rezeptor-Zellen konnten spezielle "Sauer-Rezeptor-K+-Kanalproteine" festgestellt werden. Durch sie verlässt unter Ruhebedingungen K+ die Zelle. Saure Valenzen, d.h. H+-Ionen, blockieren diese Kanäle , wodurch es zur Depolarisation kommt. Eine weitere Proteinform sind H+/Na+-Austauscherkanäle. Bindet Wasserstoff an diese Kanäle wird für jedes Ion ein Na+-Ion in die Zelle transportiert. Es kommt zur Depolarisation.

Ionenströme bzw. Generierung des Rezeptorpotentials eines "Sauer"-Rezeptors

Aus: Lindemann, B. (1996) Taste Reception, Fig.8 ; Physiological Reviews 76