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Literatur/Quellen

Die ungewöhnliche Sehkaskade des parietalen Auges der Eidechsen

Messungen des Stromflusses in den Parietalaugen der Eidechsen ergaben sensationelle Neuigkeiten und zeigten interessante Unterschiede zu den lateralen Augen der Vertebraten auf, von denen bereits vorher ausführlich berichtet worden ist. In Dunkelheit erfolgt hier keine Dauerdepolarisation, sondern sie wird erst durch einen Lichtreiz induziert. Die dafür verantwortliche Sehkaskade konnte als ebenfalls cGMP abhängig nachgewiesen werden, was dem Aufbau beim lateralen Augentyp entspricht. Die Synthese des cGMP erfolgt über eine Guanylycyclase, die in geringen Mengen cGMP darstellt, welches dann zur Regulation von einer Phosphodiesterase (PDE) abgebaut wird. Lichtreize bewirken eine Hemmung der PDE, wodurch die cGMP-Konzentration in den Zellen ansteigt und ein Öffnen der cGMP-abhängigen Ionenkanäle erfolgt. Es entsteht eine Depolarisation und der Lichtreiz wird wahrgenommen.
Autor: Thorsten Sklarz

Inhaltsverzeichnis:
Transduktion
cGMP-Abhängigkeit
Lichteinfluß
IBMX-1
IBMX-2
Lichthemmung der PDE
Sehkaskade

Um die Sehkaskade genauer und anschaulich darzustellen, werden anhand von Beispielexperimenten die Vorgehensweise der Entdeckung Schritt für Schritt durchgegangen und erklärt. Es wird dadurch einfacher die einzelnen Instanzen der Sehkaskade zu verstehen und nachzuvollziehen! Während der Untersuchungen der Parietalaugen wurde eine sensationelle Entdeckung gemacht. Als sie die Potentialdiffernz der Nervenfasern ableiteten, stellten sie fest, daß sich die Zellen im Zustand des Ruhepotentials befanden. Es erfolgte also nicht, wie bei den lateralen Augen der Vertebraten eine Dauerdepolarisation, sondern erst nach Lichtreizung konnte ein meßbarer Stromfluß (Depolarisation) beobachtet werden. Die anschließende Untersuchung der Anatomie dieses Augentypus ergab keine Besonderheiten. Sie unterschieden sich nicht grundlegend von der der lateralen Augen. Sie besaßen eine Cornea, eine Linse und eine Retina. Die Retina bestand hier aber nur aus Photorezeptoren und Ganglienzellen. Eine Differenzierung der Zellen in Amakrin-, Bipolar- oder Horizontalzellen konnte nicht gefunden werden.

  Wie erfolgt nun aber Phototransduktion in den Rezeptorzellen?

 

 


1) Liegt hier ebenfalls eine cGMP-abhängige Sehkaskade vor?
2) Was bewirkt die Lichtreizung?
3) Haben G-Proteine einen entscheidenden Einfluß auf die Sehkaskade?

Viele Fragen, denen noch auf den Grund gegangen werden muß: 1) Um die Frage der cGMP-Abhängikeit bzw. das Vorhandensein von cGMP-abhängigen Kanälen zu klären, wurden isolierten Retinazellen in Dunkelheit cGMP-Lösungen unterschiedlicher Konzentrationen injiziert und ein eventueller Stromfluß gemessen. Sollten nämlich Kanäle vorhanden sein, die eine Depolarisation und dadurch einen Stromfluß bewirken, die cGMP-abhängig sind (in Anlehnung an den lateralen Augentyp), so sollte ein Ansteig der Konzentration in den isolierten Zellen eine meßbare Potentialdifferenz bewirken.
Betrachtet man die unten abgebildete Tabelle, so können unsere Erwartungen als bestätigt angesehen werden, wobei die Kurvenverläufe bzw. Stärke der Potentialdifferenzen bei einer Zugabe von niedrig konzentrierten cGMP-Lösungen ( [cGMP] < 50 µmol) unerwartet gering waren.

Literaturverzeichnis


top Woran könnte dies gelegen haben?

 

 


Gehen wir von der eben bestätigten Annahme aus, daß ein Anstieg der cGMP-Konzentration auch eine vermehrte Öffnung der Kanäle bewirkt. Nach der Depolarisation durch den Reiz, müssen die Kanäle aber auch wieder geschlossen werden (Absinken der cGMP-Konzentration ist von Nöten), damit die Zellen auf neue Reize reagieren können. Das Vorhandensein einer Phosphodiesterase (PDE) wird zwingend, die das cGMP hydrolisiert und dadurch "unschädlich" macht. Berücksichtigen wir die Arbeit einer PDE bei unseren Betrachtungen, so lassen sich die schwachen Kurvenverläufe leicht erklären, da das Ausmaß der PDE-Aktivität bei einer geringen cGMP-Konzentration wesentlich größer ist, als bei einer höheren. Um dies zu überprüfen, gab man eine hydrolyseunempfindliche Substanz hinzu, die aber dennoch die gleiche Funktion, wie cGMP erfüllten: Eine solche Substanz ist 8-Bromo-cGMP!

Literaturverzeichnis



Das erwartete Versuchsergebnis wurde schließlich doch erreicht!
Der Beweis für die cGMP-Abhängigkeit der Lichtantwort ist somit bewiesen worden!

 

top

Aber welchen genauen Einfluß hat das Licht auf die Depolarisation?

 

 


Bewirkt es vielleicht ein Öffnen oder Schließen der Kanäle?
Um dies zu testen, bestrahlte man isolierte Retinazellen mit Licht und gab einen spezifischen cGMP-Kanalinhibitor nach bestimmten Zeitabständen hinzu. Als Inhibitoren wurden L-cis-Diltiazem und Dichlorobenzamil verwendet. Würde Licht nun ein Öffnen der cGMP-Kanäle und dadurch einen Stromfluß bewirken, so sollten die Inhibitoren dieses Aktionspotential unterdrücken. Messungen ergaben, daß unsere Vermutung bestätigt worden ist: Die Meßbare Depolarisation durch den Lichtreiz konnte von den Inhibitoren aufgehoben werden!

Literaturverzeichnis

Wie bereits nachgewiesen worden ist, öffnet cGMP die Ionenkanäle und induziert dadurch eine Depolarisation, wobei eine höhere Konzentration auch eine höhere Potentialdifferenz auslöst.

Analog der Sehkaskade bei lateralen Augen der Vertebraten ließe sich spekulieren, daß die Regulation über eine Guanylylcyclase und eine Phosphodiesterase funktioniert.

Den Nachweis einer PDE läßt sich sehr leicht führen, in dem man einen spezifischen PDE-Inhibitor hinzugibt, wodurch die Aktivität der PDE negativ beeinflußt wird. Verwendbar hierfür wäre die Substanz 3-Isobutyl-1-methyl-xanthin, abgekürzt IBMX. Bei IBMX handelt es sich um ein Molekül, daß sehr permeabel für die Zellmembrane ist und dadurch leicht in die Zellen gelangen kann.

 

top Aber was könnte nach Zugabe von IBMX passieren?

 

 


Bei einer kontinuierlichen Aktivität der Guanylylcyclase müßte es zu einem Anstieg der cGMP-Konzentration und dadurch zu einem meßbaren Stromfluß führen, der natürlich nur im Dunkeln ein eindeutiger Beleg für das Vorhandensein einer PDE ist.
Andererseits könnte erst das Licht die Guanylylcyclase aktivieren, wodurch es zu keinem Anstieg der cGMP-Konzentration bzw. zu keinem meßbaren Stromfluß im Dunkeln kommen dürfte.

Das nachfolgende Diagramm zeigt das erhaltenen Ergebnis:

Literaturverzeichnis



Wie bereits ersichtlich ist, löst IBMX eine enorme Potentialdifferenz aus, die einer Lichtreizreaktion sehr ähnlich ist (unteres Diagramm):

Literaturverzeichnis



Um den Sachverhalt genau zu klären, welche Funktion das Licht nun aber wirklich spielt (a) Guanylycyclase-aktivierung, b) PDE-Inhibition oder c) Beides), lassen sich zwei Versuche durchführen, die mehr Klarheit darüber verschaffen.

Würde Licht die Guanylycyclase aktivieren oder verstärken, so müßte die Potentialdifferenz bei IBMX-Zugabe und sofortiger Lichtbestrahlung (Lichtblitz) isolierter Zellen noch weiter ansteigen.

Die folgenden Diagramme geben Aufschluß über das Ergebnis:

Literaturverzeichnis



Beim Vergleich von der reinen Potenialkurve mit IBMX (1) und der IBMX-Lichtblitz-Potentialkurve (3) läßt sich eindeutig erkennen, daß es zu keinem weiteren Anstieg, bzw. Absinken des Potentials durch das Licht gekommen ist.
Das Licht scheint eigentlich überhaupt keinen Einfluß auf das Geschehen gehabt zu haben!

 

top Was passiert nun aber, wenn die Zeitabstände von IBMX-Zugabe und Lichtblitz vergrößert werden?

 

 


Ein eventueller Einfluß des Lichtes müßte, wenn er durch das IBMX nicht mehr zu sehen gewesen wäre, beobachtet werden können:

Literaturverzeichnis

 

Wunderbar läßt sich erkennen, daß Licht wirklich einen Einfluß auf das Geschehen ausübt (dies war aber auch schon vorher sichergestellt), aber überhaupt keinen auf die Guanylylcyclase.
Besser verdeutlicht wird dieser Sachverhalt durch den nachfolgenden Versuch, bei dem man sich an einen schon erledigten Versuch zurückerinnern muß. cGMP löste erst ab einer Konzentration von mehr als 50 µmol einen gut meßbaren Stromfluß aus, wobei 50 µmol bzw weniger kaum eine Reaktion auslösten. Was würde nun aber passieren, wenn zu isolierten Zellen cGMP in geringen Konzentrationen dazugegeben und gleichzeitig noch ein Lichtreiz darauf ausgeübt würde . Bei einer Guanylylcyclaseaktivierung durch das Licht, müßte sich die cGMP-Konzentration und dadurch die Potentialdifferenz vergrößern.

Betrachten wir erst einmal die erhaltenen Werte für die Konzentrationen von 50 und 10µmol cGMP:

Literaturverzeichnis

Literaturverzeichnis



Es läßt sich kaum ein Anstieg der Potentialdifferenz feststellen!
Noch stärker verdeutlichen läßt sich dies durch keine Zugabe von cGMP und anschließendem Lichtblitz bei dem kein meßbarer Strom geflossen ist! Die cGMP-Kanäle blieben also geschlossen.

Literaturverzeichnis



Daraus folgt, daß Licht keine Aktivierung der Guanylycyclase ausüben kann. Licht hemmt also die PDE!

 

top Aber wie macht es das?

 

 


Bei den lateralen Augen war dieser ganze Prozeß G-Protein abhängig. Zur Untersuchung, ob dies auch hier der Fall ist, wurden ein G-Proteinaktivator (GTPgS) hinzugegeben, der falls ein G-Protein für die Regulation der PDE-Aktivität verantwortlich ist, die cGMP-Konzentration so niedrig hält, daß trotz Lichtblitz kein nennenswerter Stromfluß meßbar sein dürfte. Die Beobachtungen sind in dem darauffolgenden Diagram wiedergegeben:

Literaturverzeichnis

Es läßt sich wunderbar erkennen, daß die Lichtblitze keinerlei Wirkung erzielen, die Phosphodiesterase also eine solch hohe Aktivität besitzt, daß die cGMP-Moleküle rasend schnell abgebaut werden und nicht in der Lage sind die Ionenkanäle zu öffnen.
Erst nach der Zugabe eines PDE-Inhibitors (es wurde wieder IBMX verwendet) können erste Reaktionen auf die Lichtblitze beobachtet werden (IBMX übt eine nichtkompetetive Hemmung auf die PDE aus, weshalb das Substrat trotz GTPgS-Zugabe nicht mehr gebunden werden kann!).
Im Gegenversuch, Zugabe eines G-Proteins-Inhibitor ließen sich genau die Erwartungen bestätigen, daß es durch den Anstieg der cGMP-Konzentration zu einem meßbaren Stromfluß gekommen ist, der einen ähnlich großen Wert besäßen hätte, wie ihn die normale Lichtantwort gehabt hätte.
Die Zugabe von IBMX erhöhte den Stromfluß aber nicht weiter, was sich auf die bereits durch den G-Protein-Inhibitor komplett gehemmte PDE (bzw. nicht aktivierte PDE), zurückführen läßt.

 

top Wie sieht die Sehkaskade nun aber aus?
 


Rhodopsin, welches auch in dem parietal Auge vorhanden ist, wird durch einen Lichtreiz (h * n) angeregt (Rh*) und löst die Sehkaskade aus, wobei es ein G-Protein aktiviert (+), welches die PDE hemmt (-). Durch die Hemmung der Phosphodiesterase kann die cGMP-Konzentration ansteigen (die Guanylycyclase produziert kontinuierlich in geringen Mengen cGMP), wodurch ein Öffnen der cGMP-abhängigen Ionenkanäle bewirkt wird. Es kommt zum Nervenimpuls!!
Ob die PDE im "Ohne-Licht-Zustand" durch ein zweites G-Protein aktiviert wird, oder ob die PDE im Dunkelzustand daueraktiv ist, konnte bis jetzt noch nicht so genau geklärt werden, wobei aber davon ausgegangen wird, daß ein weiteres G-Protein daran beteiligt ist.

Daraus ergibt sich folgende Sehkaskade:

Literaturverzeichnis