Leistungsvergleich: Komplexauge und Linsenauge


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Räumliches Auflösungsvermögen
Rezeptordichte und -durchmesser

Sehschärfenwinkel

Augengröße


Sehschärfe und die Packungsdichte von Photorezeptoren
 
Wenn wir einen Gegenstand betrachten, dann wird sein umgekehrtes und verkleinertes Bild auf einen Teil der Netzhaut projeziert, den man als gelben Fleck (Macula lutea) oder zentrale Grube (Fovea centralis) bezeichnet. Die Fovea (oben) ist der Ort der höchsten Packungsdichte von Zapfen-Photorezeptoren, die für die Wahrnehmung von farbigem Tageslicht zuständig sind. Die Zapfendichte erreicht in der Fovea etwa 150.000 pro mm2 (unten) und ist die Grundlage der hohen Sehschärfe des menschlichen Auges. Außerhalb der Fovea dominieren die Stäbchen, die das Sehen bei Dämmerung vermitteln und bei Tage inaktiv sind. Wegen der geringen Dichte von Zapfen außerhalb der Fovea, ist die Sehschärfe im peripheren Sichtfeld etwa 20-mal schlechter als im zentralen (fovealen) Sichtfeld.
Aus: Rodiek, R.W. (1998) The first steps in seeing.
Sinauer Associates,USA.
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Rezeptordurchmesser und Sehschärfe
 
Zwei punktförmige Lichtquellen können nur dann als getrennt wahrgenommen werden, wenn ihr Licht auf mindestens zwei separate Photorezeptoren fällt. Nur bei einer Netzhaut mit vielen Photorezeptoren kleinen Durchmessers ist deshalb eine hohe räumliche Auflösung, einen kleinen Sehschärfewinkel, zu erreichen.
Allerdings ist die Feinheit des Rezeptormosaiks nicht die einzige Begrenzung der Sehschärfe. Denn punktförmige Lichtquellen werden nicht als Punkte auf der Netzhaut abgebildet sondern - infolge von Beugungseffekten im dioptrischen Apparat - als Scheiben. Der Radius R der Beugungsscheiben (hier dargestellt als Fläche unter einer glockenförmigen Verteilung der Lichtintensität) hängt von der Wellenlänge l und dem Linsendurchmesser A ab: (für kleine Winkel: R = 1.22 l/A), nicht aber von der Brennweite.
 
Beim menschlichen Auge beträgt der Sehschärfenwinkel etwa 40'' (ca 1/100 Grad). Das entspricht einem Abstand auf der Retina von 4-5 µm (rechts). Die Zapfen-Photorezeptoren in der Fovea haben einen Durchmesser von 1-2 µm. Daraus kann man ableiten, daß zwei Punkte dann als separat wahrgenommen werden können, wenn zwei verschiedene Photorezeptoren durch sie belichtet werden, und wenn wenigsten ein dazwischenliegender Rezeptor weniger stark belichtet wird (gestrichelte Linie zwischen den Beugungsscheiben).
 
Die Durchmesser von Photorezeptoren in Linsen- wie in Komplexaugen sind nie kleiner als 1-2 µm. Während Augen mit großen Linsen sehr kleine Beugungsscheiben haben könnten, wird die Verkleinerung von Photorezeptoren durch das Wellenleiterlimit begrenzt (unten).
 
Nach: Heinz Penzlin (1996) Lehrbuch der Tierphysiologie.
Gustav Fischer Verlag, Jena.
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Das Wellenleiterlimit
Die lichtempfindlichen Teile der Photorezeptoren (Außensegmente und Rhabdomere) sind Lichtleiter. Licht, das entlang der Längsachse der Zellen (der Sehachse des Auges oder Ommatidiums) einfällt, wird durch Totalreflektion an der Plasmamembran im Innern der Zelle weitergeleitet. Reflektion resultiert aus dem Unterschied der Brechungsindizes von Zytoplasma (ca 1.33) und Plasmamembran (1.4-1.5). Wenn allerdings der Durchmesser eines Lichtleiters so klein ist, daß er sich der Wellenlänge des geleiteten Lichts annähert (Zapfen-Außensegment: 1 µm, Wellenlänge des sichtbaren Lichts: 0.4-0.8 µm), dann werden die Eigenschaften des Lichtleiters nicht mehr durch die geometrische Reflektionsoptik bestimmt: der Lichtleiter wird zum dielektrischen Wellenleiter.
 
Zwei Eigenschaften sind charakteristisch für Wellenleiter:
1. Die Ausleuchtung des Wellenleiters ist nicht homogen. Vielmehr führen komplexe Resonanzphänomene zu spezifischen Mustern (sogenannten Moden) (links unten), die auch in Photorezeptoren beobachtet werden (rechts, Netzhaut des Frosches).
2. Licht kann die Wand von Wellenleitern durchdringen (als evaneszente Welle) und die unmittelbare Umgebung des Wellenleiters beleuchten (links unten, grünlicher Halo). Dieser Effekt ("Übersprechen") reduziert die optische Auflösung, die ja darauf beruht, daß jeder Photorezeptor ein individuelles Signal erzeugt. Eine weitere Verkleinerung der Sehzellen wäre deshalb sinnlos. Der Durchmesser der Photorezeptoren ist bis an die Grenze des physikalisch Sinnvollen optimiert.
 
Aus: Kuno Kirschfeld (1984) Linsen- und Komplexaugen: Grenzen ihrer Leistung.
Naturwissenschaftliche Rundschau, 9:352-362.

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