Propriorezeptoren
Propriorezeptoren

1. Einleitung

Mit Propriozeption bezeichnet man den Gelenklagesinn, d.h. die Wahrnehmung der Stellung und Bewegung des eigenen Körpers. Ist diese Wahrnehmung gestört, ist ein normales Stehen oder Gehen nicht mehr möglich.

 

2. Verschiedene Typen von Propriozeptoren

    a. Tiergruppen ohne Außenskelett

    z.B. Coelenteraten, Anneliden, Mollusken, ...

    freie Nervenendigungen in der Nähe von Muskeln dienen als Propriozeptoren; sie dienen z.B. der Kontrolle von Tentakeln und Mundöffnung bei Coelenteraten

 

b. Tiere mit Außenskelett

 Arthropoden ( Insekten, Krebse, Spinnen, ... )

 Man unterscheidet grundsätzlich drei Rezeptortypen:

    Typ I: Ein Rezeptorneuron, das mit einer kutikulären Komponente Kontakt hat; z.B. kutikuläre Borsten und campaniforme Sensillen, die häufig richtige Felder in Gelenkregionen ausbilden

         

    Die Stellungshaarfelder Findet man hauptsächlich an Gelenken oder zwischen Kopf / Thorax bzw. Thorax / Abdomen; die einzelnen Körperteile der Insekten sind durch Gelenkhäute miteinander verbunden; die Stellungshaare werden bei Bewegungen der Körperteile von der benachbarten Gelenkhaut in ihrer Lage geändert; die Rezeptorzelle depolarisiert und gibt so Informationen über die Stellung des Gelenkes weiter.

     

    Campaniforme Sensillen dienen als Dehnungsrezeptoren in der Kutikula hauptsächlich zur Registrierung der Bewegung von Körperteilen oder deren Auslenkung. Sie liegen oft in parallel angeordneten Gruppen in der Kutikula; der adäquate Reiz ist die Kompression der Kuppel. Man findet campaniforme Sensillen z. B. auf den Cubitaladern der Flügel bei Grillen. Sie spielen eine wichtige Rolle bei der Lauterzeugung. Wenn man sie gezielt ausschaltet ändert sich der Gesang, was zu Problemen bei der Partnersuche führt.

    Typ II: Propriozeptive Chordotonalorgane sind entweder in Gelenken oder mit Muskeln assoziiert. Sie werden von einem Komplex von Skolopalzellen gebildet.

    Typ III: uni – bis multipolare Sinneszellen, die mit ihrem sensiblen Endbereich an Bindegewebsstränge oder Muskeln angeheftet sind. Sie dienen als Streckungsrezeptoren.

     

3. Propriozeption beim Menschen

Unter Propriozeption versteht man die Wahrnehmung der Stellung und Bewegung des eigenen Körpers. Die Propriozeption besitzt drei Qualitäten, den Stellungs -, Bewegungs – und Kraftsinn.

Stellungssinn: auch mit geschlossenen Augen sind wir über die Stellung der Gelenke genau orientiert, man kann z.B. jede Bewegung des einen Arms durch den anderen nachstellen ohne auf visuelle Hilfsmittel zurückgreifen zu müssen.

Bewegungssinn: die Wahrnehmungsschwellen für Gelenkbewegungen hängen von der Winkelgeschwindigkeit ab. Sie unterscheiden sich für aktive und passive Bewegungen kaum; mit proximalen Gelenken können kleinere Winkelbewegungen wahrgenommen werden als mit distalen Gelenken.

Kraftsinn: über den Kraftsinn wird das Ausmaß an Muskelkraft wahrgenommen, das aufgewendet werden muss , um eine Bewegung durchzuführen oder eine Gelenkstellung zu halten

Bei der Propriozeption wirken eine Vielzahl von Mechanosensoren mit, z.B. aus Muskeln, Sehnen und Gelenken.

Es wurde lange Zeit angenommen, dass die Mechanosensoren in den Gelenkkapseln die Hauptrolle bei der Gelenkwahrnehmung spielen. Bei Patienten mit künstlichen Gelenken ist diese Wahrnehmung allerdings kaum gestört. Man nimmt an, dass vor allem die Muskelspindeln einen wichtigen Beitrag zur Wahrnehmung der Gelenkstellung liefern. Auch die Mechanosensoren der Haut, sowie die afferenten Nachrichten aus den Sensoren der Sehnen, der Gelenke und des Vestibularorgans wirken an der Propriozeption mit. Die Meldungen werden im ZNS zu den komplexen Wahrnehmungen der Körperstellung und ~bewegung integriert.

 

4. Propriozeptorentypen des Menschen

Man unterscheidet zwei Gruppen von Propriozeptoren.

Typ I: man findet ihn in allen Gelenken. Es handelt sich um freie Nervenendigungen mit oder ohne Endkörperchen. Es liegen entweder modifizierte Pacini – Körperchen oder Ruffinische Körperchen.

Typ II: zu diesem Typ zählen Muskelspindeln und Sehnenorgane. Sie sind mit den Streckrezeptoren der Arthropoden vergleichbar.

    Muskelspindeln:

     

    Sie besteht aus einer Hülle kollagener Fasern, in der vier bis zwölf dünne quergestreifte Muskelfasern ( intrafusale Fasern ) liegen. Sie werden afferent durch Ia – Fasern innerviert. Diese winden sich um den nichtkontraktilen Teil der intrafusalen Fasern. Den efferenten Schenkel bilden die  - Motoneurone des sensortragenden Muskels. Der Effektor ist der Muskel selbst. Der adäquate Reiz für die Erregung der Spindelsensoren ist die Dehnung des Muskels. Die Muskelspindeln sind Messfühler für Länge und für Längenänderungen des Muskels.

    Eine dynamische Dehnung des Muskels führt zu einer Entladungssalve in den Ia – Afferenzen, die wiederum zur Aktivierung des Motoneuronpools und einer Spannungszunahme im Muskel führt. Da die Reizung und der Reizerfolg sich am gleichen Muskel abspielen, bezeichnet man den Dehnungsreflex auch als Eigenreflex. Die Empfindlichkeit der Muskelspindel wird durch die  - Motoneurone zentral gesteuert. Die Kopplung von  - und  - Motoneuronen garantiert, dass der sensorische Mittelteil bei der aktiven Verkürzung des Muskels nicht gestaucht / entdehnt wird, sondern stets in Bereitschaft bleibt, äußere Störgrößen zu registrieren.

 

     Sehnenorgan: Das Golgisehnenorgan ist der Sensor für die Messung der aktiv entwickelten Muskelspannung. An den kollagenen Fasern der Sehnen enden zahlreiche dendritische Verzweigungen von afferenten Ib – Fasern. Diese Fasern bilden Synapsen mit inhibitorischen Interneuronen, die wiederum synaptisch mit den  - Motoneuronen verbunden sind. Das Golgisehnenorgan regelt die Stärke der Kontraktion auf ein Level, welches das umgebende Gewebe ertragen kann. Die meisten Brüche sind Folge einer sehr schnellen Kontraktion der Muskeln, die vom Sehnenorgan nicht mehr heruntergeregelt werden kann. Als Neurotransmitter der Inhibition fungiert Glycin.

5. Verarbeitung: Die Rolle des Cerebellums

Das Cerebellum nimmt eine zentrale Stellung ein. Es werden verschiedene Informationen integriert. Bei Patienten mit Läsionen im Cerebellum kommt es zu stark unkoordinierten, abrupten Bewegungen. Außerdem treten vermehrt Probleme beim Gehen auf.

Das Cerebellum erhält Informationen aus dem vestibulären System, dem visuellen, auditorischen und motorischen Cortex. Zusammen mit dem propriozeptiven Input integriert es die Einzelinformationen zu einer komplexen Information über Stellung und Lage des Körpers. Das Cerebellum ist auch für die  - Motoneuronmodulation verantwortlich.