Elektrorezeptoren
Elektrorezeptoren
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Holger Fahnenstich

In den 50er Jahren wurden Fische entdeckt, die die Fähigkeit haben, kontinuierlich kleine elektrische Entladungen abzugeben, zudem waren seit langem Ampullenorgane und weitere Rezeptoren in der Haut vieler Fische bekannt, deren Funktion allerdings völlig unbekannt war.

Folgender Versuch wies den richtigen Weg zur Lösung des Rätsels : Haie, die in ihrer Haut zahllose Ampullenorgane besitzen, konnten im Sand eingegrabene, lebende Schollen entdecken und lokalisieren. Der Hai schwamm jedoch achtlos über die Scholle hinweg, wenn diese in einem elektrisch isolierenden Plastikkasten lag, der die von der Muskelaktivität stammenden elektrischen Felder abschirmte. Vergrub man im Sand anstelle der Scholle zwei geladene Elektroden, suchte der Hai fieberhaft über diesem elektrischen Feld nach Futter, selbst dann, wenn daneben zerhacktes Schollenfleisch aus dem Sand herausduftete.

Bei den Ampullenorganen und anderen Rezeptoren handelt es sich also um Elektrorezeptoren, die sich, wie an der neuronalen Verschaltung nachgewiesen wurde, aus dem Seitenlinienorgan entwickelt haben und nur afferent innerviert sind.

=> elektrosensitive Fische : große Anzahl von Fischarten die über Elektrorezeptoren (Ampullen, Knollenorgane und/oder Mormyromasten) in der Haut verfügen und als Untergruppe dieser die schwach-elektrischen Fische, die zusätzlich zu den Elektrorezeptoren über die Fähigkeit verfügen kontinuierlich schwache (mV bis wenige V) elektrische Entladungen abzugeben :

    1. Mormyriden (Nilhechte : Nil u. Schlammflüsse Afrikas), die pulsförmige Entladungen in unregelmäßiger Reihenfolge abgeben (einige 100/s)

    2. Gymnotiden (Messeraale : Schlammflüsse Südamerikas), die zu den sogen. wave-type-Entladern gehören; sie senden kontinuierlich sinusförmige Entladungen aus mit Frequenzen von 40 – 2000Hz

    - außerdem gibt es stark elektrische Fische (einige Welsarten und Zitterrochen) mit elektr. Entladungen von bis zu 350 V zur Feindabwehr und Beuteimmobilisierung, die aber nichts mit der Elektrorezeption zu tun haben

     

Die Elektrosensitivität wird von elektrischen wie den nicht-elektrischen Fischen zur Lokation von belebten und unbelebten Gegenständen benutzt.

Die Rezeptororgane:

Ampullenorgane :

    - kommen bei allen elektrosensitiven Fischen vor und sind die evolutiv ältesten Elektrorezeptoren

    - liegen in der Tiefe der Haut versenkt und stehen über einen mit Schleim gefüllten Kanal (als ohmsche Verknüpfung) mit dem Außenmedium in Verbindung, wobei der Schleim einen sehr viel kleineren elektr. Widerstand als die Haut hat

    - am Grunde der Ampulle sitzen je nach Art einige bis 100 Elektrorezeptoren, die ionendicht so mit ihren Nachbarzellen verknüpft sind, daß nur die apikale Membran Kontakt zum Kanallumen hat, also nur durch sie Strom fließen kann

    - dadurch und durch die Architektur der Ampulle wirkt dieses Organ als hochempfindlicher Gleichspannungsmesser (Reaktion auf 0,1-5µV/cm) , da hohe Frequenzen kurzgeschlossen werden

    - durch die Rezeptoren fließt ein ständiger Ruhegleichstrom, der tonische Impulse auslöst ; wird nun die Spannungsgradient über der Haut angelegt, ändert sich diese Ruheentladungsfrequenz je nach Spannung nach oben oder unten, wobei die Rezeptoren allerdings schnell adaptieren

    - zentralnervös werden die Eingänge der Ampullenorgane konvergent zusammengeschaltet, was zu einer erhöhten Empfindlichkeit von bis zu 5nV/cm (bei Haien u. Rochen) führt

    - das Ampullensystem dient auf Grund dieser Eigenschaften der Elektroortung, da belebte und unbelebte Objekte in der Nähe ganz charakteristische Änderungen des fischeigenen elektr. Feldes hervorrufen, die mit diesem System erkannt und unterschieden werden können

    1. Tubulusorgane der Gymnotiden:

    - ebenfalls in der Haut versenkt, allerdings von Deckzellen (kapazitive Verknüpfung) vom Wasser abgeschlossen, dadurch in der Lage hochfrequente Feldänderungen wahrzunehmen

    - Rezeptorzellen liegen hier dem Tubulusgrund auf, so daß ~95% der Membranoberfläche frei (von Deckzellen bedeckt) ins Lumen den Organs ragen

    - die niedrigste Reizschwelle der Rezeptoren liegt immer bei der Eigenfrequenz des vom Fisch selbst ausgesandten EOD und paßt sich dieser bei Änderung an, wobei der Mechanismus der Änderung der Rezeption (Membraneigenschaften o.ä.) und der Erkennung der eigenen Frequenz (keine efferente Innervation !) noch nicht geklärt sind

    - funktionell 2 Typen von Tubulusrezeptoren :

    - P-Typ : erkennen Zu- und Abnahme (über 2 versch. Neurone) der Amplitude der Schwingungen in Bereichen von bis zu 1,8mV/cm (Amplitudenkodierer)

    - T-Typ : antworten mit einem Spike, wenn das Feld einen Nulldurchgang von negativ nach positiv durchläuft ; sensitiv ab 0,3mV/cm (Zeitkodierer)

    - durch diese Kodierung von Amplitudenänderungen und Nulldurchgangsänderungen ist der Fisch nicht nur in der Lage, Objekte zu lokalisieren, sondern auch noch Interferenzen mit anderen Feldern festzustellen

     

     

3. Die Mormyromasten und Knollenorgane der Mormyriden :

    - Knollenorgane sind einfache Zeitkodierer ähnlich den T-Typ Tubulusrezeptoren der Gymnotiden

    - Mormyromasten besitzen an ihrem Grund A-Zellen, die nur mit der apikalen Membran ins Lumen des Organs ragen und Amplitudenveränderungen wahrnehmen

    - außerdem sind B-Zellen vorhanden, die fast mit ihrer ganzen Membranoberfläche ins Lumen des Organs ragen und sehr empfindliche Zeitkodierer sind

    - Knollenorgane werden zur Lokation, Mormyromasten zur Kommunikation eingesetzt

 

 

 Zentralnervöse Verarbeitung :

    - Die Eingänge der elektrosensorischen Signale sind mit somatosensorischen Eingängen verschaltet, so daß eigene Kiemen- und Muskelbewegungen nicht als Signal der Elektrorezeption an höhere Zentren weitergegeben werden

    - Haut wird mit überrepräsentierter Kopfregion im ZNS topographisch abgebildet und mit visuellen Signalen zusammengeschaltet  Kombination aus visuellen und elektrischen Daten zur Informationsgewinnung

    - Gehirn wertet nicht die absoluten Zeiten der Nulldurchgänge von Schwingungen aus, sondern berechnet deren lokale Änderungen, wobei zeitl. Änderungen von 1µs erkannt werden

    - diese Änderungen werden mit den Amplitudenänderungen verknüpft, dadurch können auch störende Felder z.B. von anderen Fischen erkannt werden.

    - tritt solch ein Störfeld mit einer höheren Frequenz als das eigene auf, wird die eigene Frequenz soweit gesenkt, daß die Störung eine unerhebliche Größe erreicht (Jamming Avoidance Response, JAR)

 

Kommunikation :

Durch diese Rezeption können schwach-elektrische Fische eindeutig zwischen einzelnen Individuen der eigenen Art, anderen Arten und Geschlechtern unterscheiden. Bei der Balz und Aggression zerhacken Männchen von Eigenmannia ihre kontinuierlichen Entladungen zu kurzen Salven (chirps). Dazwischen liegen bis zu 2 s lange Pausen mit einem Gleichspannungsfeld (Kopf negativ gegenüber Schwanz). Weibchen dieser Fische laichen nur, wenn sie längere Zeit solchen elektrischen "chirps" balzender Männchen ausgesetzt waren. Die Elektrokommunikation funktioniert über eine Distanz von bis zu 2m. Feldbeobachtungen an diesen nachtaktiven oder in trüben Gewässern lebenden Fischen sind allerdings schwierig, deshalb gibt es noch keine verläßliche Abschätzung in welchem Ausmaß elektrische Signale das Sozialverhalten der schwach elektrischen Fische steuern.

 

Elektrolokation :

Ein Gegenstand in der Nähe eines schwach-elektrischen Fisches erzeugt eine Phasen- und Amplitudenmodulation des vom Fisch ausgesandten elektr. Feldes, wobei die schwach-elektrischen Fische eindeutig zwischen belebt und unbelebt unterscheiden können. Allerdings ist die Elektroortung auf die nächste Umgebung beschränkt, da die Stärke des elektr. Feldes mit der 4.Potenz des Abstands abnimmt. Man sagt, daß die Elektroortung nur in einem Umkreis, der der halben Länge des Fisches entspricht funktioniert. Außerdem sind die Änderungen des Feldes, die durch Gegenstände hervorgerufen werden äußerst gering, so daß ein Fisch mehrmals nahe an einem Objekt vorbeischwimmt, um es zu identifizieren. Bei guter Sicht wird daher hauptsächlich die visuelle Wahrnehmung benutzt, aber in der Dunkelheit bzw. in den schlammigen Flüssen in denen diese Arten beheimatet sind gewinnt die Elektroortung und das Riechen eine größere Bedeutung

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 Die elektrischen Entladungen schwach elektrischer Fische.

A. Formen elektrischer Entladungen (EOD electric organ discharge) und ihre Frequenzen bei den unterschiedlichen Fischgruppen. d,a dorsal, anterior; v,p ventral, posterior.B. Schematische Darstellung einer pulsförmigen (pulse-type EOD) von Hypopomus sp. (Gymnot.), und einer wellenförmigen (wave-type EOD) von Eigenmannia sp. (Gymnot.) . (A nach Bullock u.Heiligenberg eds 1986; B nach Metzner und Viete)

     

    A. Schematische Darstellung der Lage des elektrischen Organs und der Elektrorezeptoren in der Haut (Rezeptorareale) beim Mormyriden Gnathonemus petersii.

    B.  Schema eines ampullären Elektrorezptors, der durch tight junctions (rote Balken) ionendicht in die Haut eingebettet ist. Der elektrische Widerstand der apikalen Membran ist geringer als der der basolateralen Rezeptormembran.

    C. Der spontan aktive afferente Nerv des Rezeptors (a) ist sehr empfindlich für Ströme, die nach innen (b, Erregung) und nach außen (c, Hemmung) durch den Rezeptor fließen. Die Reizspannung/Entladungskurve ist im Nullpunkt am steilsten und daher für kleine Spannungsänderungen um 0 mV am empfindlichsten. (Aus Eckart-Randall 1986)

 

Die Unterscheidung von Objekten mit resistiven (ohmschen) elektrischen Widerständen (z.B. Steine) gegenüber solchen mit kapazitiven Widerständen (z.B. Pflanzen). Die Form des elektr. Feldes einer Organentladung ( Gnathonemus petersii, Mormyride) ist bei einem kapazitiven Objekt (rote Kurve) gegenüber dem bei einem resistiven Objekt in drei Punkten verändert: 1) die positive Phase (P-phase) hat eine kleinere Amplitude, 2) die Phasen der Nulldurchgänge für die negative Phase (N-phase)sind nach vorne verschoben, und 3) nach der negativen Phasen tritt eine zweite positive Phase auf. Dressuren haben gezeigt, daß die Fische diese Formveränderungen unterscheiden können. (Nach v.d.Emde und Ronacher 1994)

 

Schematische Darstellung von Elektrorezeptortypen.

A. Ampullenorgane gibt es auch bei nicht-elektrischen Fischen, Tubulusorgane bei Gymnotiformen und Knollenorganebei Mormyriden.  CCDeckzellen, SC Rezeptorzellen
B. Elektrische Analog-Schaltbilder für Ampullen- und Tubulusorgane. (A aus Bullock und Heiligenberg 1986; B aus Metzner und Viete)

 

 

Mormyromasten sind elektrische Rezeptororgane

der Mormyriden, die sowohl gleichspannungsgekoppelte (A-Zellen) als auch wechselspannungsgekoppelte (B-Zellen) Rezeptoren enthalten. (Aus Bell et al. 1989