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Definitionsansatz
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Bevor wir uns den physiologischen Details der Schmerzrezeptoren oder der
Schmerzbekämpfung zuwenden, wird es nötig zu klären, was überhaupt unter
Schmerzen zu verstehen ist. Allein schon aus der Alltagserfahrung weiß
man, daß Schmerzen ganz unterschiedlich sein können. Diese Tatsache macht
einen differenzierten Apparat aus Begriffen nötig, der uns bei Beschreibung
und Analyse in der komplexen Welt der Schmerzphänomene hilfreich zur Seite
steht.
„Schmerz ist ein unangenehmes Sinnes - und Gefühlserlebnis, das
mit einer aktuellen oder potentiellen Gewebeschädigung verknüpft ist
oder mit Begriffen einer solchen beschrieben wird." |
Anhand dieser knappen Definition von Schmerz (übersetzt aus PAIN 6, 248-252,
1979) werden folgende Aspekte deutlich:
- Schmerz ist eine Sinnesempfindung, die von
einem unlustbetonten Gefühlserlebnis begleitet wird
- Schmerzen treten auf, wenn Körpergewebe so
stark gereizt wird, das eine Schädigung droht oder auftritt
- Schmerzen können so erlebt werden, als ob
eine Gewebeschädigung droht oder eintritt, auch wenn keine reale Schädigung
zu Grunde liegt.
Dazu muß einschränkend gesagt werden, daß nicht alle Organschäden durch
Schmerzen angezeigt werden, so das bösartige Tumore oft lange Zeit nicht
erkannt werden.
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Sinnesqualitäten
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Die Qualitäten der Sinnesmodalität Schmerz werden vom Prinzip her nach
dem Ort ihrer Entstehung unterschieden:
- Qualität: Somatischer Schmerz (Körperschmerz):
beim somatischen Schmerz lassen sich noochmal zei Subqualitäten unterscheiden:
- Oberflächenschmerz: Nach Reizung beispielsweise
mit einer Nadel, von der Haut kommender 1. Schmerz, der „heller",
gut lokalisierbarer, nach Beendigung des Reizes schnell abklingender
Schmerz, auf den nach einer Zeit von 0,5-1s ein 2. Schmerz folgt,
der schwer lokalisierbar, eher dumpf und brennend ist und langsam
abklingt.
- Tiefenschmerz: von Muskeln, Knochen, Gelenken
oder Bindegewebe kommender dumpfer Schmerz, der schlecht lokalisierbar
ist und in die Umgebung ausstrahlt.
- Qualität: Viszeraler Schmerz (Eingeweideschmerz):
Der viszerale Schmerz rührt, bei starker Dehnung oder Spasmen in Eingeweiden
und Hohlorganen (Gallenblase, Nierenbecken) her.
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Akuter
und chronischer Schmerz |
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An der Schmerzempfindung beteiligte Komponenten: Die Schmerzempfindung
ist ein sehr komplexes Ereignis, zu dem verschiedene Komponenten, im Regelfall
zusammen, aber gegebenenfalls einzeln beitragen.
- Sensorische Komponente:
- Abbildung von Ort, Intensität, Beginn und
Ende des noxischen ( gewebebedrohenden ) Reizes
- Unterscheidung von noxischen und nichtnoxischen
Reizes
- Meßfunktion des Schmerzes
- affektive Komponente (emotionale Komponente):
- Sinnesempfindungen, die vom Ohr oder Auge
kommen, rufen lust oder unlustbetonte Gefühle hervor
- Schmerz löst fast immer unlustbetonte Gefühle
hervor
- vegetative Komponente (autonome Komponente):
- schmerzhafte Reize werden vom vegetativen
(autonomen) Nervensystem reflexartig verarbeitet
- beim Eintauchen der Hand in heißes Wasser,
erweitern sich die Blutgefäße in der Haut, der Blutdruck steigt,
die Herzfrequenz nimmt zu und der
- Durchmesser der Pupillen nimmt zu
- vegetative Komponente ist bei viszeralen
Schmerzen besonders ausgeprägt und äußert sich beispielsweise bei
einer Gallenkolik als Übelkeit und Erbrechen
- motorische Komponente:
- die motorische Komponente kennt man als
Flucht
- oder Schutzreflex, wie etwa das schnelle
Zurückziehen der Hand von der heißen Herdplatte
- läuft automatisch ab, bevor Schmerz ins
Bewußtsein gelangt
- bei viszeralen Schmerzen äußert sich die
motorische Komponente als Muskelverspannung
- kognitive Komponente (Schmerzbewertung):
- aktuelle Schmerzen werden mit im Kurz
- und Langzeitgedächtnis gespeicherten Schmerzerfahrungen
verglichen und danach bewertet
- ->individuell sehr unterschiedliche Schmerzbewertung
- psychomotorische Komponente(Schmerzäußerung)
- -Mimik, Gesten, Wehklagen, Wunsch nach
Medikamenten
Iin die Schmerzbewertung und in die Schmerzäußerung gehen folgende
Komponenten mit ein:
- aktuelle soziale Situation
- familiäres Herkomme
- Erziehung
- ethnische Herkunft
- Situation, in der man einem gewebeschädigendem
Reiz ausgesetzt wird
Hinweisen aus Tierexperimenten zur folge, muß die normale Reaktion auf
schmerzhafte Reize erlernt werden und gehört zum großen Teil nicht zum
angeborenen Verhaltensrepertoire.
Allgemeine
Unterschiede zwischen akutem und chronischem Schmerz |
Akuter Schmerz (Symptom einer Krankheit) |
Chronischer Schmerz (Eigenständige Krankheit) |
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Verlauf Tage bis 1 Woche
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Eindeutige Ursache
-
Warnfunktion
-
Behandlung der Ursache
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- Verlauf länger als 1/2 Jahr
- Verschiedene Ursachen
- Keine Warnfunktion
- Behandlung der Symptome
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Beispiele:
-
Verletzung
-
Kolik
-
Infarktschmerz
-
Postoperativer Schmerz
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Beispiele:
- Stumpf-/Phantomschmerz
- Neuralgie
- Kopfschmerzen
- Kreuzschmerzen
- Seelisch bedingter Schmerz
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Quelle: Ernst, A. (1998), Anatomie, Pathologie und Physiologie
des Schmerzes, erschienen in: Grundlagen der Schmerztherapie, Hrsg.:
Flöter, T. , Medizin & Wissen |
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Schmerzmessung
(Algesymetrie) |
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In Experimenten können Schmerzschwelle, Schmerzintensität, Schmerztoleranzschwelle
und Verlauf der Schmerzadaptation gemessen werden. Man unterscheidet subjektive
und objektive Methoden, wobei bei objektiven Verfahren Variablen, wie
Pupillendurchmesser oder evozierte Hirnrindenpotentiale, von einem Beobachter
gemessen werden.
Ergebnisse aus der Subjektiven Algesysmetrie, wie in der Abbildung zu
sehen, weisen für den Hitzeschmerz auf mangelnde Schmerzadaptation hin.
Im Gegenteil, findet sogar eine gewisse Sensibilisierung der Nozizeptoren
statt.
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