Aufbau des Riechepithels und Verbindung zum Gehirn
Referat von Daniel Gilbert, gehalten am 13.11.00

Anatomie der Nase

Querschnitt durch den menschlichen Kopf mit Blick auf die rechte Nasenhöhle. Auffallend sind die drei übereinander liegenden wulstartigen Gebilde. Diese Ausstülpungen werden als Conchen bezeichnet und sind mit Schleimhaut überzogen, dem sog. respiratorischen Epithel. Es hat die Aufgabe die eingeatmete Luft anzufeuchten und anzuwärmen. Die Sinneszellen, die uns das Riechen ermöglichen sind im Riechepithel angesiedelt. Das Riechepithel befindet sich in einem etwa 2 x 5 cm² großen Bereich der obersten Conche am Nasendach. Gelblich schimmernd hebt es sich von der gut durchbluteten Umgebung ab.


Aus: Richard Axel "Die Entschlüsselung des Riechens "Spektrum der Wissenschaft, Dezember 1995, 72-78.



Aus: Robert R. H. Anholt, "Primary events in olfactory reception" Trends in Biochemical Science 12:58-62 (1987).


Aufbau des Riechepithels

Das Riechepithel besteht im wesentlichen aus drei Zelltypen:

  1. aus einer Schicht von Stützzellen, die das Riechepithel zur Nasenhöhle hin abgrenzen. Die Stützzellen sind durch ihr langgestrecktes, ziegelsteinförmiges Aussehen und dem Saum aus Microvilli gut von den sie umgebenden Zellen zu unterscheiden.
  2. den Riechzellen, die in die Stützzellen eingebettet sind. Die Riechzellen sind primäre bipolare Sinneszellen, die an ihrem aplikalen Ende einen Schoft aus langen Zilien tragen. Diese Zilien sind die chemosensorische Membran der Riechzellen, die auf Duftstoffe in der Atemluft reagieren und die Riechzelle zur elektrischen Erregung bringen. Am basalen Ende der Riechzellen befinden sich die Nervenfortsätze oder Axone, die gebündelt direkt in den Bulbus olfactorius oder Riechkolben ziehen.
  3. den Basalzellen. Die Basalzellen sind von runder Gestalt und sind unterhalb der Stützzellschicht angesiedelt. Sie dienen der Erneuerung der Riechzellen, da die Riechzellen nur eine durchschnittliche Lebensdauer von etwa einem Monat haben. Danach werden sie durch Ausdifferenzierung der Basalzellen erneuert. Dies ist eine Besonderheit des Riechepithels, da Nervenzellen im adulten Nervensystem in der Regel nicht mehr zu mitotischer Teilung befähigt sind.

Außerdem sind im Riechepithel Drüsenzellen-, die die sog. Bowman-Drüsen bilden (sie dienen der Schleimsekretion), Bindegewebe und Blutgefäße zu finden.


Geruchsdiskriminierung

Das menschliche Riechepithel besteht aus ca. 5 Mio. Riechzellen, die sich in etwa 300 Klassen unterteilen lassen. Jeder dieser 300 verschiedenen Riechzelltypen trägt einen spezifischen Riechzellrezeptor. Die Tatsache, daß wir über etwa 300 verschiedene Rezeptortypen verfügen bedeutet nicht, daß wir nur 300 unterschiedliche Düfte diskrimieren können, sondern man geht davon aus, daß die menschliche Nase etwa 10000 unterschiedliche Düfte erfassen kann. Dies kommt dadurch zustande, so wird vermutet, daß der einzelne Rezeptor nicht mit dem gesamten Duftmolekül wechselwirkt, sondern nur auf eine bestimmte Seitengruppe des Duftmoleküls reagiert. Auf diese Weise kommt es bei der Aufnahme von Duftmolekülen durch die Atemluft zu charakteristischen Aktivitätsmustern der Riechzellen im Riechepithel.

Gene, die für die Rezeptorproteine codieren – die größte bekannte Genfamilie im Säugetiergenom

Man hat bei Genomanalysen an Säugetieren einschließlich des Menschen etwa 1000 Gene gefunden, die für die Rezeptorproteine codieren. Beim Menschen sind nur ca. 300 dieser Gene aktiv, insgesamt konnten aber etwa 1000 Gene im menschlichen Genom identifiziert werden. Wenn man davon ausgeht, daß ein Mensch ungefähr 40000 Gene hat, dann macht das einen Anteil von 2,5 % aus, alleine für die Proteine die Duftstoffe binden. Das ist damit die größte Genfamilie im Säugetiergenom die man kennt.


Schmidt Thews; "Physiologie des Menschen"; 27. Auflage; Springer-Verlag Berlin, Heidelberg, New York; 1997; Seiten 322-327.

Verschaltung der Sinnesnervenzellen im Riechkolben (Bulbus olfactorius)

Die gebündelten Axone der Riechzellen passieren als Fasern die Poren der Siebbeinplatte am Nasendach durch und treffen in als Glomeruli bezeichneten Strukturen auf sog. Mitralzellen. Dabei projezieren jeweils etwa 1000 Axone des gleichen Riechzelltyps auf eine einzige Mitralzelle. Das heißt, es kommt zu einer Reduktion der Informationskanäle im Verhältnis 1000 : 1. Diese Art der Verschaltung wird als Konvergenz bezeichnet. Man sagt, die Axone konvergieren auf eine Mitralzelle.

Topographische Repräsentation der sensorischen Information im Riechkolben

Wie in der schematischen Darstellung des Bulbus olfactorius nicht zufällig ersichtlich ist, unterliegt die Verteilung der Glomeruli im Riechkolben einer räumlichen Ordnung. Die Molekularbiologin Linda Buck konnte bei Untersuchungen des Bulbus olfactorius nachweisen, daß der Glomerulus für Neuronen eines spezifischen Rezeptors immer an der gleichen Stelle liegt, was mit Sicherheit dazu verhilft, daß alle Individuen einer Spezies auf den gleichen Geruch mit sehr ähnlichen Erregungsmustern reagieren. Zudem läßt dieser Schluß die Annahme zu, daß die Informationen über einen Geruch im Riechkolben topographisch repräsentiert werden. Daran vermag die Riechrinde die sensorischen Informationen zu entschlüsseln.



Aus: Richard Axel "Die Entschlüsselung des Riechens "Spektrum der Wissenschaft, Dezember 1995, 72-78.

Aus: D. M. Stoddart "the Biology and Culture of Human Odor" Encyclopaedia Britannica, Yearbook of Science and Future (1993).

Verarbeitung der sensorischen Informationen im Gehirn

Die Mitralzellaxone ziehen als Tractus olfctorius, der in drei Hauptsträngen organisiert ist, in tiefere Hirnbereiche. Die verschiedenen Hauptäste des auch als Riechbahn bezeichneten Tractus olfactorius sind in der Abbildung mit unterschiedlichen Farben markiert.
Die grün gefärbten Hauptäste ziehen über die vordere Kommissur zum jeweils gegenüberliegenden Bulbus.
Die blau markierten Bahnen gehen den Weg der bewußten Duftwahrnehmung. Sie passieren die primäre Riechrinde (Pyriformer Cortex) und ziehen daraufhin zum Thalamus, der die sensorische Information der Großhirnrinde- und damit dem Bewußtsein zuleitet.
Der dritte Hauptast des Tractus olfactorius (grau schraffiert) projeziert in eine als Tuberculum olfactorium bezeichnete Region. Dieser Bereich ist, ebenso wie der Bulbus olfactoius, ein Teil des Paleocortex. Von dort aus zieht der Ast zum Hypothalamus.
Die roten Bahnen zeigen die Verschaltungen der Riechbahn im Limbischen System (Hippocampus, Amygdala und Entorhinaler Cortex), das heißt den Gehirnregionen, wo Erinnerungen und Emotionen verarbeitet werden. Über Amygdala, Hippocampus und entorhinalem Cortex erreichen die Signale den Hypothalamus und die Hypophyse, welches die wichtigsten Zentren der Neurosekretion sind. Das bedeutet, die Wahrnehmung eines Geruches hat direkten Einfluß auf die Sekretion von Hormonen.

Aus der Abbildung- und den Erläuterungen im Text geht hervor, daß die sensorischen Informationen der Riechbahn von unterschiedlichen Zentren im Gehirn verarbeitet werden. Dadurch kommt es zu einer Vermischung von sensorischer Information mit Erinnerungen und Emotionen, was auch erklärt, daß uns Gerüche unmittelbarer und tiefer anzusprechen scheinen als andere Sinneseindrücke.

 


Literaturangaben
:
Richard Axel "Die Entschlüsselung des Riechens" Spektrum der Wissenschaft, Dezember 1995, 72-78.