Farbensehen

ein Referat von Anja Mehner, gehalten am 27.11.00

Einleitung: In meinem Referat werde ich mich schwerpunktmäßig mit dem Farbensehen beim Menschen beschäftigen. Zudem möchte ich versuchen zu erklären, wie Wahrnehmungsforschung funktionieren kann. Das Farbensehen stellt dafür ein schönes Beispiel dar, da Wissenschaftler allein durch sog. psychophysische Experimente schon recht früh Theorien erstellen konnten, die erst sehr viel später durch die physiologische Forschung belegt wurden.

 

Allgemeines zu Licht und Farben: Licht wird als das definiert, was wir sehen können. Unsere Augen können elektromagnetische Strahlung mit Wellenlängen zw. 400 und 700nm wahrnehmen. Natürliches Licht besteht aus einer relativ gleichmäßigen Mischung von Energie verschiedener Wellenlänge und wird einfach als weißes Licht bez.. Das entdecke Newton schon 1704. Er zerlegte weißes Licht mittels eines Prismas, dann vereinigte er die verschiedenfarbigen Anteile wieder mit einem 2. Prisma und erhielt wieder weißes Licht.

 

Wann erscheint uns ein Gegenstand jetzt also farbig? Strahlt man z.B. rotes Objekt mit breitbandigem weißen Licht an, so absorbiertes v.a. kurzwelliges Licht und reflektiert v.a. langwelliges.

 

Abb. 1: Beziehung zwischen vorwiegend reflektierten Wellenlängen und wahrgenommener Farbe

reflektierte Wellenlänge wahrgenommene Farbe

kurz

Blau

mittel

Grün

lang

Rot

lang und mittel

Gelb

lang und etwas mittel Orange

lang und kurz

Purpur

lang, mittel und kurz Weiß

(aus E.B. Goldstein, Wahrnehmungspsychologie)

 

Nun haben die Energiewellen von sich aus noch nichts mit einer Farbempfindung zu tun. Die Wahrnehmung  einer Farbe beruht also einerseits auf der Wellenlänge des Lichts, aber dann in ganz entscheidendem Maße auf unserem Sehapparat.

Dies verdeutlicht auch in besonderem Maße das Phänomen der Farbkonstanz. Damit haben wir es täglich zu tun, wenn wir z.B. aus dem Tageslicht in einen beleuchteten Raum treten (vgl. Abb.2).

 

Abb.2: Das Emissionsspektrum von Sonnenlicht und von Kunstlicht (Glühlampe)

(nach Judd, Mac-Adam und Wyszecki 1964)

 

Bei Glühbirnenlicht reflektieren alle Gegenstände prozentual mehr langwelliges Licht als draußen. Dennoch erscheint uns z.B. ein Pullover, der im Tageslichtgrün war, auch bei Kunstlicht grün. ( In diesem Zusammenhang : Experimente mit Mondrianbildern)

 

 

Welche  Farbrezeptoren besitzen wir? Wie wird die Wellenlänge des Lichtes in den Nervenimpulsen des visuellen Systems codiert?

 

Bemerkenswert ist, dass Wissenschaftler schon zu Anfang des 19. Jhd. allein durch sog. psychophysische Tests auf das Ergebnis kamen, dass in der menschlichen Retina genau drei Rezeptortypen für das Farbensehen ausreichen. Man erkannte nämlich, dass sich durch Mischung von Licht dreier Wellenlängen im richtigen Verhältnis, jede beliebige Farbe erzeugen lässt, vorausgesetzt die Wellenlängen liegen weit genug auseinander.

Thomas Young und Hermann von Helmholtz erstellten dann die Theorie, dass an jeder Stelle der Netzhaut mind. drei „Partikel“ vorhanden sein müssten, die auf die drei Farben Rot, Grün, Violett ansprechen. – Theorie der Trichromasie. Erst 1959 wurde diese Theorie physiologisch belegt.

Was bedeutet es nun für unseren Farbensinn, dass wir genau drei Zapfentypen haben?

Jeder dieser drei Zapfen reagiert auf eine best. Wellenlänge am stärksten.

 

Abb.3:Reaktionskurve des 531-nm Zapfenpigments (aus E.B. Goldstein, Wahrnehmungspsychologie)

 

 

Was wäre nun, wenn wir nur einen Zapfentyp hätten? (vgl.Abb.3).

Man erkennt: Wellenlängen, die bei geringer Reizstärke nur eine schwache Reaktion hervorrufen, bewirken bei großer Intensität eine starke Reaktion. D.h. das unser Farbempfinden sich mit der Intensität ändern würde. Das tut es aber nicht...

Nehmen wir an, wir hätten 2 Zapfentypen, z.B. roten und grünen. Die Wellenlänge lässt sich nun durch Vergleich der Outputs der Zapfen bestimmen. Bei kurzen Wellenlängen feuert der grüne besser und bei langen der rote. Subtrahiert man nun die beiden Empfindlichkeitskurven, so bleibt dieses Verhältnis bei sich ändernder Lichtintensität (x) gleich, da die Rezeptorerregungen dem Logarithmus der Reizintensität proportional sind:

log(G)-log(R) = log(G/R) = log(xG/xR) = log(xG)-log(xR)

 

Warum reichen also nicht 2 Zapfentypen aus? Dann müssten wir darauf verzichten, weißes von monochromatischem, farbigem Licht einer bestimmten Wellenlänge  zu unterscheiden. Weißes Licht, das ja aus einem Gemisch aller Wellenlängen besteht, stimuliert die Zapfen in einem best. Verhältnis. Werden die Zapfen mit monochromatischem Licht von einem Ende des Spektrums bis zum anderen gereizt, so muss irgendwann das gleiche Verhältnis auftreten wie bei weißem Licht. (Dies  tritt bei häufigster Form der Farbenblindheit auf).

Für einen Farbensinn wie den unsrigen braucht man genau 3 Zapfentypen. Diese absorbieren am besten bei 430, 530 und 560nm, weshalb man  sie als „blau“, „grün“ und„rot“ bezeichnet.  Abb.4:Relative spektrale Empfindlichkeiten der Zapfen (aus Hubel, Auge und Gehirn)

 

 

Um einen Farbton zu beschreiben, genügen also offenbar die drei Angaben: Erregung der drei Zapfentypen im Verhältnis zueinander.

Zunächst erscheint dieses System recht einleuchtend, aber es erklärt nicht das Phänomen der Farbkonstanz. Diesem möchte ich mich nun im folgenden nähern.

 

Etwa zur gleichen Zeit wie die Trichromatische Theorie entwickelte Hering die sog. Gegenfarbentheorie. Er war ganz fasziniert davon, dass es so etwas wie Gegenfarben zu geben scheint, nämlich: Schwarz-Weiß, Rot-Grün und Blau-Gelb. ( Auf diese Idee kam er durch psychophysische Experimente wie z.B. dem Erzeugen eines Nachbildes in der Gegenfarbe.) Er erklärte sich dieses Phänomen mit dem Auf- und Abbau irgendeiner chemischen Substanz in der Retina. Bei Weiß, Gelb oder Rot sollte diese auf- und bei Schwarz, Grün oder Blau abgebaut werden. Wissenschaftler standen dieser Theorie lange sehr ablehnend gegenüber, da man sich keinen physiologischen Vorgang vorstellen konnte, der auf diese Weise antagonistisch wirken sollte.

In Wirklichkeit sind es auch keine chem. Substanzen, die auf- oder abgebaut werden, sondern bestimmte Neuronen reagieren mit antagonistischen elektrischen Signalen. Diese Neuronen nennt man Gegenfarbenzellen.

 

Gegenfarbenzellen

Auf solche Gegenfarbenzellen stieß man zunächst bei zwei Tieren mit sehr guter Farbwahrnehmung: Rhesusaffen und Fischen aus der Karpfenfamilie.

1956 untersuchte  Gunnar Svaetichin Zellen der Fischretina, die er zunächst für Zapfen hielt, die sich aber später als Horizontalzellen herausstellten. Diese Zellen reagierten sehr interessant auf Licht.

( Abb.5 aus Hubel, Auge und Gehirn)

 

1.)L-Zellen:werden durch Licht gleich welcher Wellenlänge hyperpolarisiert.
2.) R-G-Zellen werden durch kurze Wellenlängen und maximal durch grünes Licht hyperpolarisiert, durch lange Wellenlängen, v.a. rotes Licht depolarisiert.

3.)Y-B-Zellen: maximale Hyperpolarisation bei blauem, max. Depolarisation bei gelbem Licht

 Weißes Licht ruft nur schwache Reaktionen hervor. Licht einer best. Wellenlänge zw. den beiden Maxima ruft keine Reaktion hervor, diesen Punkt nennt man Übergangspunkt.

 

 

Zwei Jahre später entdeckte DeValois im Corpus geniculatum laterale (=seitl.Kniehöcker im Thalamus) von Rhesusaffen ganz ähnliche Zellen, nämlich Gegenfarbenzellen vom Typ: rot-grün und gelb-blau. Da die Farbwahrnehmung von Rhesusaffen und Menschen übereinstimmt, konnte man nun davon ausgehen, dass Gegenfarbenzellen auch beim Menschen vorkommen.

Zur Funktionsweise von Gegenfarbenneuronen vergleiche Abbildung 6).

 

Abb.6: (a) Links: Antwortkurven des M-und L-Rezeptors. Rechts: Säulendiagramm der Stärke der Rezeptorantworten auf Wellenlänge 1 und 2. (b) Links: Antwort einer R+Gr-Zelle auf erregenden Input vom L-Rezeptor und hemmenden Input vom M-Rezeptor. Rechts: Säulendiagramm der Gegenfarbenantwort der R+Gr-Zelle auf die Wellenlängen 1 und 2. Die Reaktion auf 1 ist inhibitorisch, die auf 2 exzitatorisch .                                     

(aus E.B. Goldstein)

 

 

Die Gegenfarbenzellen stimmen überraschend gut mit Herings Theorie überein. Ein typisches rezeptives Feld einer Gegenfarbenzelle sieht wohl so aus:

 

 

Das Zentrum erhält exzitatorischen Input von roten Zapfen und das Umfeld inhibitorischen Input von grünen Zapfen.

Von diesen Zellen gibt es nun auch alle Kombinationen: R+G-, R-G+, G+R-, G-R+

 

Bis heute ist die genaue Organisation dieser rezeptiven Felder der Gegenfarbenzellen noch rätselhaft.  

 

In den 80-er Jahren entdeckte man solche Gegenfarbenzellen auch im visuellen Cortex und zwar in Regionen, die man als Blobs bezeichnete.

In diesen fand man auch sog. doppelte Gegenfarbenzellen. (vgl. Abb. 7 aus Hubel, Auge und Gehirn)

 

rot-grün blau-gelb schwarz-weiß

 

Es wurde nun die Theorie aufgestellt, dass die Farbverarbeitung nicht in dem dreidimensionalen Koordinatensystem mit den Achsen Rot, Grün und Blau stattfindet, sondern in einem System wie hier. D.h. die Zellen stellen einen Vergleich zw. dem Rot-Grün-Wert in einer Region und dem Rot-Grün-Wert in der Umgebung an. Dasselbe geschieht für Gelb-Blau und die Helligkeit. Dieses System könnte dann auch die Farbkonstanz annähernd erklären. Diese funktioniert am besten, wenn man viele Vergleichsmöglichkeiten hat. Die Verhältnisse der Farben zueinander, scheinen also verrechnet zu werden. Nicht der absolute Wert einer Wellenlängenzusammensetzung zählt, sondern der relative und zwar im Vergleich zu den anderen. Derzeit kann man nur raten, wie Doppelgegenfarbenzellen verschaltet sind.

 

 

Schlussbemerkungen: Wie man sieht, gibt es hinsichtlich des Farbensehens beim Menschen also noch viel zu erforschen. Erst recht weiß man bei Tieren noch relativ wenig über die Verarbeitung von Farben im Gehirn.

Farbensehen ist durchaus ein besonderer Sinn. Unter den Säugetieren sind z.B. Mäuse, Ratten, Katzen, Hunde und Kaninchen mehr oder weniger farbenblind. Primaten und die meisten anderen Affenarten, sowie Eichhörnchen können Farben sehen. Bei anderen Wirbeltieren scheint man sich nicht ganz einig zu sein. Viele Fisch- und Vogelarten verfügen wohl über Farbensehen, bei Amphibien und Reptilien habe ich Widersprüchliches gelesen. Insekten haben meist einen sehr guten Farbensinn. (Beispiel Bienen: Ihr Farbensinn ist wie bei Menschen trichromatisch, aber der wahrgenommene Spektralbereich ist zu kürzeren Wellenlängen verschoben; sie besitzen Blau-, Grün- und Ultraviolett-Zapfen.)

Am Ende sei noch kurz der evolutive Aspekt des Farbensehens erwähnt. Bei der Nahrungssuche verschaffte es einen großen Vorteil, da es z.B. leichter ist, farbige Früchte von grünem Hintergrund unterscheiden als in Grauabstufungen zu sehen.

Ich schließe mit einem dazu passenden Zitat des Wahrnehmungsforschers Knut Nordby, der völlig farbenblind ist: Beerensammeln ist immer ein großes Problem. Ich muss oft mit den Fingern zwischen den Blättern herumtasten und die Beeren an der Form erfühlen.

 

Literatur:
Hubel, D.H. (1989) Auge und Gehirn; Kapitel: Farbensehen Spektrum Verlag

Goldstein, E. Bruce (1996) Wahrnehmungspsychologie Spektrum Verlag