Signaltransduktion: Bitter, Süß und Umami
Referat von Jan Mäurer, gehalten am 20.11.00

Wahrscheinlich hat es jeder schon einmal so oder ähnlich erlebt; wir stecken uns eine dunkelrote, knackig-saftige, süße Kirsche in den Mund und –... bah, da ist ein Wurm drin. Das Geschmackserlebnis ist total verdorben. Bitter, wir verziehen das Gesicht, spucken die Reste ins Gras und stopfen schnell zwei neue Kirschen zum neutralisieren in den Mund.

Machen die Kirschen das, um uns zu ärgern? Oder dient die geschmackliche Unterscheidungsfähigkeit vielleicht doch einem besonderen Zweck?

Der Sinn liegt wohl offensichtlich in der prinzipiell verschiedenen gesundheitlichen Verträglichkeit von Nahrungsmitteln mit süßem, salzigem, saurem und bitterem Geschmack. Bitter und sauer warnen uns vor einer potentiellen Vergiftung. Dies wird auch anhand der Tabelle der Schwellen für die verschiedenen Geschmacksqualitäten deutlich:

Qualität

Substanz

Schwelle

Bitter Chininsulfat 0,000008
  Nicotin 0,000016
Sauer HCl 0,0009
  Zitronensäure 0,0023
Salzig NaCl 0,01
  CaCl2 0,01
Süß Saccharose 0,01
  Glukose 0,08
  Saccharin 0,000023
Umami Glutamat 0,0007

Saure und bittere Empfindungen warnen uns schon bei kleinster Dosierung vor einer möglichen Vergiftungsgefahr. Die Schwellen für Süß und Salzig liegen deshalb relativ hoch, weil wir sonst zu schnell geschmacklich gesättigt wären, d.h. wir hätten überhaupt keine Lust mehr auf Süßes oder Salziges, lange bevor wir körperlich satt wären.

Ach wie süß!

    Süß ist die Geschmacksempfindung, die von den meisten Menschen, solange sie nicht zu stark ist, als angenehm empfunden wird; und das schon von Geburt an. Bereits die Muttermilch schmeckt leicht süßlich. Die anderen Geschmacksempfindungen müssen sozusagen erst "erlernt" werden. In fortgeschrittenem Alter schmecken uns dann auch grüne Paprika, Kaffee, Oliven, saure Gurken etc.

Was schmeckt süß?

Folgende Stoffgruppen lösen, zumindest potentiell oder teilweise, geschmacklich süße Empfindungen aus:

  • Zucker
  • Zuckerderivate
  • Alkohole (potentiell)
  • Glykole (potentiell)
  • Proteine (s. Umami)

Was löst den süßen Geschmack aus?

      Bisher hat man keine feste Molekülstruktur entdeckt, die für den "Süßreiz" verantwortlich ist. Alle süß schmeckenden Moleküle haben allerdings eine nukleophile und eine elektrophile Gruppe. Das Bindungsareal des Süßrezeptors ist eine hydrophobe Tasche mit ebenfalls nukleophilen und elektrophilen Bindungsstellen.

      Schwierigkeiten bei der Suche nach der genauen Struktur dessen, was letztendlich den "Süßreiz" auslöst, bereitet die Tatsache, daß bereits kleinste Konformationsänderungen den Geschmack verändern. So schmeckt z.B. D-Phenylalanin süß, wohingegen sein Enantiomer L-Phenylalanin bittere Eindrücke hinterläßt. Dieser Unterschied ist wohl in der Form des Rezeptors begründet.

Transduktion nach Bindung

Neben einem, nicht näher beschriebenen, ionotropen Mechanismus, bei dem ein durch Zucker und andere Süßstoffe gesteuerter amilorid-sensitiver Kathionenkanal geöffnet wird, legen wir hier den Schwerpunkt auf verschiedene Formen des metabotropen Mechanismus‘.

Grundsätzlich sind zwei Wege neben vielen anderen wahrscheinlich; einer für (a) Zucker und einige künstliche Süßstoffe und einer für (b) künstliche Süßstoffe wie bspw. Saccharin

(a) Die Bindung an den Rezeptor aktiviert das G-Protein Gustducin durch Abspaltung von a -Gustducin à a -Gustducin aktiviert die Adenylatcyclase à der cAMP-Spiegel steigt à dadurch wird die Proteinkinase A aktiviert und inaktiviert K+-Kanäle durch Phosphorylierung à es kommt zur Depolarisation. (siehe Abb.1)

Abb.1     

Aus: Lindemann, B. (1996) Taste Reception, Fig.3 ; Physiological Reviews 76      

(b) Die Reaktion auf die Bindung verläuft zunächst wie unter (a) à a -Gustducin aktiviert jedoch nicht die Adenylatcyclase sonderndie Phispholipase C à diese spaltet Phosphatidylinositoldiphosphat (PIP2) in Diazylglycerin (DAG) und Inositoltriphosphat (IP3) à nach Aussage verschiedener Quellen aktiviert nun das DAG bzw. das IP3 die Proteinkinase C à die daraufhin aus den zelleigenen Ca2+ -Speichern entlassenen Ionen bewirken eine Transmitterausschüttung. (siehe ebenfalls Abb.1)

 

Das ist bitter!

Was schmeckt bitter?

      Ähnlich wie beim süßen Geschmack ist auch beim bitteren bisher keine eindeutig auslösende Struktur entdeckt worden. Die unterschiedlichsten Gruppen lösen eine bittere Geschmacksempfindung aus. Beispiele:

      -SH / -CS- / º N / -S- / > Nº / u.v.a.

Signaltransduktion

Auch hier gibt es zahlreiche Wege, auf denen die Signaltransduktion erfolgen kann:

(a) Direkter Einfluß auf K+ -Kanäle: Chinin bspw. blockiert K+ -Kanäle, was zu einer Membrandepolarisierung führt. Hier wurde jedoch kein Aktionspotential nachgewiesen.
(b) Die Bindung an den Rezeptor aktiviert die Phospholipase C à es entstehen DAG und IP3 [siehe "Süß (b)"] à der Anstieg des Ca2+ -Spiegels führt zur Depolarisation (siehe Abb. A).

(c) Nach der Bindung aktivieren die G-Protein-Untereinheiten Transducin und/oder Gustducin die Phosphodiesterase à es kommt zum Abbau von cAMP à cAMP-abhängige Kathionen-Kanäle (Na+,Ca2+, evntl. K+) à Depolarisation (siehe Abb. B)

 

Umami - die neue Kunst des japanischen Proteinfaltens?

    Der Japaner KIKUNAE IKEDA von der Tokyo Imperial University fand schon 1908 heraus, dass Umami ein eigenständiger Geschmack ist, der sich nicht aus den anderen kombinieren lässt. In Japan beschreibt Umami den herzhaften Geschmack von eiweißreicher Nahrung, wie Fleisch, Fisch oder altem Käse.

    Genau genommen schmeckt jedoch nur ein einziger Eiweiß-Baustein umami: die Aminosäure L-Glutamat, die als Geschmacksverstärker in Fertiggerichten und chinesischem Fastfood bekannt ist.

    aus: Nature Neuroscience, Bd. 3, S. 113, 2000

    NIRUPA CHAUDHARI aus Miami fand heraus (Nature Neuroscience, Bd. 3, S. 113, 2000), dass der Rezeptor von Umami mit einem G-Protein gekoppelt ist und extrazelluläres Glutamat bindet. Dieses G-Protein reguliert den Level von interzellulärem cAMP wodurch ein Aktionspotential entstehen kann

    freies Glutamat ist in vielen proteinreichen Essen gefunden worden, Fleisch, Milch und Meeresfrüchte eingeschlossen teilweise auch in altem Käse. Ratten und Menschen können beide den Geschmack von Glutamat feststellen, wobei die Reizschwelle für Erwachsene bei 0,7 mM liegt.

    Der Rezeptor ähnelt in seinem Aussehen einer Muschelschale, bei der beide Muschelhälften in der Mitte durch ein Scharnier miteinander verbunden sind. In dieser Spalte kann Glutamat binden, wodurch eine Verminderung von itrazellulärem cAMP hervorgerufen wird. Durch diese Verminderung kann es zum Schließen der cAMP bindenden Kanäle kommen. Damit gibt es eine Analogie zum Sehen, wo es zum Ausfall von cGMP kommt, wodurch cGMP bindende Ionen-Kanäle geschlossen werden und es zu einer Hyperpolarisation der Photorezeptorzellen kommt.

    Es gibt aber auch ein paar Umami-Rezeptoren, die mit Depolarisation antworten, wobei die Rolle dieser Rezeptoren noch nicht geklärt ist.

Nebenbei, am Rande

Zum Abschluß seien noch einige Fakten und Kuriositäten erwähnt, die uns bei der Recherche über den Weg gelaufen sind. Beispielsweise die Tatsache, daß, ähnlich wie bei optischen Nachbildern, der Geschmackssinn nach einer längeren Süßadaption destiliertes Wasser als sauer identifiziert.

Bezüglich der nervlichen Weiterleitung ist interessant, daß auch hier süß und bitter weitgehend getrennt sind. So leiten die Fasern des N. facialis (VII. Hirnnerv) vermehrt Impulse süßer Geschmacksempfindungen, die des N. glossopharyngealis (IX. Hirnnerv) "transportieren" die bitteren Sinneseindrücke zum Gehirn.

Nicht nur diätengeplagte Mitmenschen dürfte die Entdeckung bestimmter Proteine interessieren, die eine dem herkömmlichen Zucker weit überlegene Süßkraft haben (siehe Tabelle unten). Die meisten können aus tropischen Pflanzen gewonnen werden, sind allerdings noch nicht für den europäischen Markt erschlossen worden.

Süßes Protein Molekulargewicht Süßkraft [Zucker: 1] Herkunftspflanze
Monellin 10700 3000 Dioscoreophyllum cumminsii
Thaumatin 22200 3000 Thaumatococcus danielli
Brazzein 6500 2000 Pentadiplandra brazzeana
Curculin 12500 550 Curculigo latifolia
Pentadin 12000 500 Pentadiplandra brazzeana
Mabinlin 12400 100 Capparis masaikai

(John Markley: Universität von Wisconsin: "Nature structural biology; Band 5, S.429)